In seinem »bisher ernüchterndsten und realistischsten Buch« (The Guardian) spielt der postmoderne Fantasy- und Bestseller-Autor Jasper Fforde alle Mechanismen von Rassismus und Xenophobie klug und unterhaltsam durch, und zwar in einer absurd-komischen Parallelwelt, die – abgesehen von vermenschlichten Kaninchen – der unseren doch erschreckend ähnelt.
Das britische Dörfchen Much Hemlock, nah an der walisischen Grenze, war immer ein Hort des Friedens. Sauber. Traditionell. Die Menschen aufrecht und beflissen. Doch dann kommen sie. Mit ihrer seltsamen Religion, ihrer aggressiven veganen Agenda und viel zu vielen Kindern. Zwar geben sie sich ruhig und friedliebend, aber wer weiß, wie lange noch? »Sie« sind eine Familie vermenschlichter Kaninchen – das Ergebnis eines unerklärlichen Ereignisses vor rund einem halben Jahrhundert.
Ihr Nachbar, der langjährige Dorfbewohner Peter Knox, muss sich entscheiden: Kann er Zaungast der Entwicklung bleiben und weiterhin eine ruhige Kugel bei der Rabbit Compliance Taskforce schieben oder soll er den neuen Nachbarn beistehen, denen, wie allen anderen 1,2 Millionen Kaninchen im Vereinigten Königreich, die Zwangsumsiedlung nach Wales droht?
Jasper Fforde (geboren 1961) hat zwanzig Jahre als Kameramann im Filmbusinsess gearbeitet, bevor er mit »Der Fall Jane Eyre« einen internationalen Bestseller landete. Sechs weitere Romane um die Buch-Agentin Thursday Next folgten, daneben weitere Einzelromane und Roman-Zyklen. Die Jugendbuch-Serie »Die letzte Drachentöterin« wurde für Sky verfilmt.
Ffordes Bücher wurden in Deutschland bei verschiedenen Verlagen veröffentlicht. Zuletzt erschienen »Eiswelt« bei Heyne und »ROT« bei Eichborn. Jasper Fforde lebt und arbeitet in seiner Heimat Wales.
Miriam Neidhardt ist Übersetzerin für Englisch und Russisch. 2011 übersetzte sie für Satyr »Bestseller« von Valentine Honeyman. Als Autorin verfasste sie zwei Ratgeber für Übersetzende, zuletzt »Erfolgreich freiberuflich übersetzen« (2023). Sie lebt mit ihrer Familie und zwei Katzen in Oldenburg.
»Pure Erfindungsgabe, Witz, Komplexität, Gelehrsamkeit, Unerwartetheit und Originalität.«
– The Times
»Meisterhaft komisch ... Seine nie versiegende Vorstellungskraft und die Liebe zu seinen Charakteren sind ansteckend und unwiderstehlich.«
– The New York Times
»Eine ernsthafte Komödie.«
– Mail on Sunday
»Das Buch soll die Leser aus der Komfortzone holen: soll ihnen vor Augen führen, dass das bloße Hochhalten liberaler Werte nicht ausreicht, um die rasante Ausbreitung von Rassismus und Xenophobie entgegenzutreten. Man muss handeln.«
– Financial Times
3 Fragen an Jasper Fforde
Die Veröffentlichung von „The Constant Rabbit“ ist jetzt ebenso wie der Brexit fünf Jahre her. Wie hat sich die Welt seither in Sachen Rassismus und Populismus verändert?
Eine gute Frage! Der Schatten des Brexits ist lang. Er wurde in Großbritannien interpretiert als eine Schlacht zwischen Rechts und Links, zwischen den Populisten und Pragmatikern. Diese Schlacht wurde von den Populisten gewonnen, aber ohne die Grenzkontrollen, die sie eigentlich verlangt hatten. „Wie die Karnickel“ war meine Reaktion darauf und auf den Brexit sowie auf das Gefühl einer verwirrten britischen Identität. Ich hatte das Gefühl, dass der Bruch mit Europa nur auf Rassismus und Fremdenfeindlichkeit beruhte; dass man glaubte, als Nation, die auf imperialen Ruhm und ein fehlgeleitetes Gefühl der Einzigartigkeit zurückblickt, diesen Boden nur zurückerobern zu können, indem wir Großbritannien ausschließlich den Briten vorbehalten. Ohne sich wirklich die Mühe zu machen, herauszufinden, was „Britisch sein“ eigentlich bedeutet. Denn in Wahrheit ist der „britische Ruhm“ Unsinn.
Der Rechtsruck dreht sich in Wirklichkeit um eine kleine Gruppe von Männern, die Macht und Einfluss wollen und zwar mit allen Mitteln. Populismus hat eine bewährte Erfolgsstrategie: die Demokratie schwächen und Hass gegen dämonisierte Andere richten. Leider ist das ein globales Problem und wir sehen es überall – und jedes Regime ermutigt das nächste, sich in einem Wettlauf nach unten alles zu erlauben. Traurigerweise ist „Wie die Karnickel“ heute relevanter als damals, als ich es geschrieben habe. Erst gestern erklärte einer der einflussreichsten rechten Politiker, dass er, falls er an die Macht käme, 600.000 „Illegale“ zusammentreiben und in Abschiebelager stecken würde. – Das ist nicht meilenweit entfernt von dem, was die britische Anti-Rabbit-Partei in „Wie die Karnickel“ versucht.
Welche wichtigen Lektionen kann die Menschheit von den Kaninchen lernen?
Was mir an dem Buch am meisten Spaß gemacht hat, war „Der Kaninchenweg“. Darin geht es darum, wie Kaninchen sich untereinander und gegenüber der Biosphäre verhalten, wie sie Technologie sehen, wie sie einfachen Freuden und Wahrhaftigkeit folgen und dass sie einfach gerne feiern. Vieles an ihrem Lebensstil ist vernünftig, nachhaltig und ohne den kurzlebigen Unsinn, dem wir Menschen so zugetan sind. Im Grunde habe ich das als Blaupause für eine bessere Welt verfasst, ohne große Hoffnung, dass sie je befolgt wird. Besonders gefiel mir die Umwandlung einer „Erklärung der Rechte“, in der jeder Einzelne bestimmte Rechte hat, die er verteidigen kann, in eine „Liste der Pflichten“, in der jeder selbst für das Wohlergehen anderer verantwortlich ist. In dem Buch sollten die Kaninchen die größte Menschlichkeit zeigen und die Menschen die geringste.
Gibt es etwas, was Sie Ihren Deutschen Fans gerne sagen würden?
Ich möchte mich ganz herzlich bei allen meinen deutschen Lesern bedanken. Deutsch war die erste Fremdsprache, in die meine Bücher übersetzt wurden, es ist seit 24 Jahren die zweitbeliebteste Sprache meiner Bücher. Nur dank dieser Lesebegeisterung kann ich in Deutschland weiterhin veröffentlichen. Ich habe sogar kürzlich gehört, dass viele Leser die englische und die deutsche Version kaufen, um sie zu vergleichen. Es war eine tolle Reise, nochmals vielen Dank – und ich hoffe, Ihnen gefällt „Wie die Karnickel“ genauso gut wie mir beim Schreiben.
Interview: Mirco Drewes
Übersetzung: Volker Surmann
Foto: Mari Fforde